Ab wann braucht mein Kind Therapie?

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage schon im Laufe der letzten 30 Jahre gehört habe. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Mütter, die besorgt ihre Kinder in der logopädischen Praxis vorgestellt haben und von den Widerständen in der Familie erzählt haben. Manche Großmütter wurden zu Furien. Heute kaum mehr vorstellbar. Gott sei Dank, diese Zeiten sind vorbei. Eltern, Großeltern, Fachleute wissen heute sehr gut, dass eine rechtzeitige Therapie enorm wichtig ist, wenn die weitere Sprachentwicklung und das spätere Lernen in der Schule gut verlaufen sollen. Seit einigen Jahren erleben wir in der Praxis manchmal leider das Gegenteil. Besorgte Eltern bekommen manchmal keine rechtzeitige Verordnung vom Kinderarzt. Bislang sind es Einzelfälle geblieben, zum Glück.

In Marktoberdorf haben wir ein gut funktionierendes Netzwerk für Kinder, in dem sich Pädagogen, Therapeuten und Kinderärzte regelmäßig treffen.

Die meisten Fragen von Eltern beziehen sich auf Lautbildungsfehler, also wenn Kinder manche Laute nicht richtig sprechen können. Da wird der „Roller“ zum „Loller“ und die „Schokolade“ zur „Sokolade“ usw. Ich rate grundsätzlich zu einem Vorschuljahr ohne Lautbildungsfehler. Die Therapie sollte dann abgeschlossen sein. Also auch ein /K/, /SCH/ oder /R/ sollte dann schon richtig gesprochen werden. Diese Laute stellen sich oft eher spät ein. Doch im letzten Kindergartenjahr formt sich das phonologische Bewusstsein, das viele Vorläuferfähigkeiten für den Schriftspracherwerb in der Schule beinhaltet. Viele Kindergärten unterstützen diese Entwicklung durch spezielle Programme, deren Erfolg nachgewiesen wurde. Spricht ein Kind manche Laute lange falsch, entwickelt es oft kein fundiertes Bewusstsein für diese Laute und hat dann unter Umständen Schwierigkeiten Rechtschreibregeln zu lernen.

Natürlich muss alles in einer gesunden Balance sein und zu viel von Kindergartenkindern zu verlangen und diese Zeit zu überfrachten ist gewiss nicht in logopädischem Sinne. Diese Zeit soll genutzt werden um viel draußen zu sein, zu toben, sich zu bewegen, die Welt zu entdecken und zu erforschen. Doch eine rechtzeitige logopädische Therapie steht dem nicht im Wege. Ein Termin pro Woche reicht in der Regel aus, um einfache Lautbildungsfehler zu korrigieren. Die meisten Kinder kommen gerne und ein unbeschwerter Schulstart sollte das allemal wert sein.