Logopädische Therapie nach einer Erkrankung an COVID-19

Anfang 2020 wurde der Erreger SARS-CoV-2 als Auslöser von COVID-19 festgestellt. Seit über einem Jahr ist das Virus nun täglich in unterschiedlichster Weise präsent.
Die Abkürzung „SARS“ steht für „severe acute respiratory syndrome“. Sie macht bereits deutlich, dass das Virus die Atemwege angreifen und die Funktion der Lunge beeinträchtigen kann, wodurch das Atmen erheblich erschwert wird. Übertragen wird der Erreger hauptsächlich über die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel in Form von Aerosolen oder Tröpfchen, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen. Um in die Wirtszelle zu gelangen, verwendet SARS-CoV-2 das Enzym ACE-2 als Rezeptor. Im Atemwegstrakt, im Darm, in Gefäßzellen, in der Niere sowie im Herzmuskel und in anderen Organen besteht eine hohe ACE-2-Dichte. COVID-19 kann daher als systemische Krankheit betrachtet werden. In einem Großteil der Fälle geht das Virus in eine milde Form über, jedoch kann die Lungenbeteiligung in 20% der Fälle schwerer sein und eine intensivmedizinische Behandlung sowie eine mechanische Beatmung notwendig machen.

Mögliche Langzeitschäden nach überstandenen COVID-19 Erkrankung

Nach einer überstandenen Erkrankung an COVID-19 können Langzeitschäden das tägliche Leben beeinträchtigen, da sich das Virus nicht nur in der Lunge, sondern abhängig von der Dichte der ACE-2-Rezeptoren in den Geweben, auch in anderen Organsystemen manifestieren kann. Aufgrund der Neuartigkeit des Krankheitsbildes gibt es bislang noch keine einheitliche Definition für Langzeitfolgen („Long Covid“). Neben organspezifischen Langzeitfolgen nach Intensivbehandlungen können bei milderen Verläufen u.a. längerfristige Müdigkeitserscheinungen, Merkstörungen, Gedächtnisprobleme oder Wortfindungs-störungen beobachtet werden. Der derzeitige Wissensstand lässt noch offen, ob Schluckprobleme bei Patienten mit COVID-19 ein direkter Ausdruck der Virusinfektion sind oder ob Schluckstörungen als Folge einer durch das Virus verursachten Schädigung der für die Schluckfunktion wesentlichen Organe entstehen. Fest steht, dass Patienten, die intubiert und mechanisch beatmet wurden, ein hohes Risiko haben eine Schluckstörungen zu entwickeln, da durch den Beatmungsschlauch Organe, die für die Schluckfunktion relevant sind, verletzt werden können. Ein korrektes Abschlucken von Speichel und Nahrung ist dann nur noch eingeschränkt möglich. Eine Schluckstörung reduziert die Lebensqualität drastisch und kann für die betroffenen Personen auch lebensbedrohlich werden.

Logopädische Therapie bei Schluckbeschwerden

Zeigen sich nach einer überstandenen Erkrankung an COVID-19 Probleme beim Schlucken, ist eine logopädische Therapie dringend notwendig. Ziel ist es, dass der Patient seine Fähigkeit zur normalen Nahrungsaufnahme weitestgehend wiedererlangt und dadurch wieder aktiv am Leben und in der Gesellschaft teilhaben kann. Die Gefahr des Verschluckens (Aspirationsrisiko) soll dabei so gering wie möglich sein. Mit der Durchführung von Stimulations-, Bewegungs- und Schluckübungen wird an der Wiederherstellung gestörter Funktionen gearbeitet. Ist dies nicht oder nur bedingt möglich, werden bestimmte Schlucktechniken erarbeitet, um ein sicheres Schlucken zu gewährleisten. Dabei spricht man von kompensatorischen Verfahren. Bleiben Schluckbeschwerden im Alltag bestehen, sollte eine Anpassung der Ernährung erfolgen und der Patient lernt in der Therapie den Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln (Trinkbecher, spezielles Besteck).

Verbesserung möglicher Stimmveränderungen

Neben dem Risiko der Entwicklung einer Schluckstörung können durch die künstliche Beatmung auch die Stimmbänder gereizt oder gar beschädigt werden. Dies kann zu Schwierigkeiten bei der Atmung, des Sprechens oder des Singens führen. Betroffene Personen klagen über Kurzatmigkeit und Sprechanstrengung sowie Stimmversagen oder eine Veränderung des Stimmklangs. Die eigene Stimme wird beispielsweise rau oder heiser wahrgenommen.
Um eine leistungsfähige, belastbare Stimme wiederzuerlangen, wird in der logopädischen Therapie zunächst an einer physiologischen Atmung, sowohl in Ruhe, als auch beim Sprechen gearbeitet. Missempfindungen beim Singen und Sprechen werden abgebaut und die Sprechanstrengung wird reduziert. Ebenso kann an einer Verbesserung des Stimmklangs gearbeitet werden.

Weitere Langzeitfolgen von COVID-19

Als Langzeitfolgen bei milderen Verläufen von COVID-19 konnten bislang u.a. Merkstörungen, Gedächtnisprobleme oder Wortfindungsstörungen beobachtet werden. Probleme im Bereich der Wortfindung wirken sich im Alltag auf die Kommunikationsfähigkeit aus und können die Lebensqualität beeinträchtigen, wenn beispielsweise Gespräche aufgrund fehlender Wörter häufiger abgebrochen werden müssen. Mithilfe von therapeutischen Ansätzen zur Verbesserung der Wortfindung, können Logopäden Personen mit Wortfindungsstörungen helfen, Wörter schneller abzurufen. Kommunikationssituationen im Alltag können aufrechterhalten werden und eine aktive Teilhabe am Leben ist möglich.

In den nächsten Jahren werden durch die Forschung deutlich mehr Erkenntnisse über das Virus und seine Langzeitfolgen gesammelt werden können. Bislang zeigt sich jedoch, dass ein interdisziplinäres Vorgehen die Genesung und Rehabilitation nach einer Erkrankung an COVID-19 maßgeblich unterstützen kann. Aufgrund ihrer therapeutischen Kompetenzen in den Bereichen der Schluck-, Atem- und Stimmtherapie sind Logopäden ein wichtiger Bestandteil des interdisziplinären Teams und unterstützen betroffene Personen bei der Rückkehr ins Leben.

 

Autorin: Michaela Schuster
Vielen Dank für diesen großartigen Artikel

 

Quellen
Forni,  R. C. (2021). Unveröffentlichtes Skript: LoMo - Interdisziplinäre Betreuung von Covid19 Patienten in der Kurz- und Langzeitrehabilitation: vom Atmen bis zum Schlucken - das Wesentliche für eine Rückkehr ins Leben
Prosiegel, M. & Weber, S. (2013). Dysphagie. Diagnostik und Therapie. Ein Wegweiser für kompetentes Handeln. In: Praxiswissen Logopädie. Springer Verlag
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief…